Onlinetagung zum Ehegattensplitting
Die Frage, ob das Steuersparmodell Ehegattensplitting noch zeitgemäß ist, stand im Mittelpunkt der Tagung des Ständigen Ausschusses Frauen und Erwerbsarbeit, die am 18. und 19. März 2022 als Online-Veranstaltung stattfand.
Zum Studienteil der Zoom-Konferenz, die von Sprecherin Petra Löwenbrück, ihrer Stellvertreterin Veronika Pütker und der kfd-Referentin Lisa Meerman-Lippe geleitet wurde, hatten sich neben den Delegierten auch zahlreiche Gäste eingeloggt. Sie bestätigten mit ihrem Interesse, dass der Ausschuss damit ein Thema aufgegriffen hat, das auf öffentliches Interesse stößt und auch unter dem Aspekt Geschlechtergerechtigkeit ein aktuelles Anliegen darstellt. Nicht umsonst wurde Deutschland von der OECD und der EU-Kommission wiederholt für dieses Modell der Einkommenssteuerberechnung von zusammenveranlagten Ehegatten gerügt, weil es Frauen vom Arbeitsmarkt fernhalte. Das Steuerprivileg war vor über 60 Jahren, am 18. Juli 1958, eingeführt worden.
Als Referentin hatte der Ständige Ausschuss die Dipl.-Kauffrau Reina Becker eingeladen, die als Steuerberaterin mit eigener Kanzlei in Niedersachsen tätig ist und seit Jahren vor Gericht gegen die derzeitige Ausgestaltung des Ehegattensplittings kämpft. In den letzten Jahren hätte eine Reform dieses Steuersparmodells immer wieder auf der politischen Tagesordnung gestanden, so Reina Becker, aber es sei nichts geschehen. Sie kritisierte, dass das Ehegattensplitting nicht mehr zeitgemäß sei, weil es auf die „Hausfrauenehe“ zugeschnitten sei und falsche Anreize setze. In der Folge würden Frauen seltener und mit weniger Wochenstunden berufstätig sein, was Abhängigkeiten verstärke, Karriereperspektiven schwäche und in letzter Konsequenz der Altersarmut von Frauen Vorschub leiste.
Die Aussagen der Referentin deckten sich mit denen vieler Expertinnen und Experten, dass das Ehegattensplitting, das den Staat jährlich rund 20 Mrd. Euro kostet, hauptsächlich Besserverdienenden zugutekommt und zudem das finanzielle Risiko für Frauen im Fall einer Trennung erhöht. „Im Übrigen landen 92,1 Prozent vom Steuervorteil des Ehegattensplittings in den alten Bundesländern und nur 7,9 Prozent im Osten“, berichtete Reina Becker. Darüber hinaus habe die Wahl der Steuerklassen nicht nur den Effekt, dass diejenige Person in der Ehe bzw. eingetragenen Lebenspartnerschaft, die weniger verdiene – überwiegend Frauen, – durch einen hohen Steuersatz in Steuerklasse 5 ein vergleichsweise geringeres Nettoeinkommen habe.
Dies verfestige vielfach auch die innere Überzeugung, dass sich die eigene (Teilzeit-)Berufstätigkeit nicht lohne und Minijobs eine echte Alternative seien. Aber gerade letztere sind mit Blick auf eine eigenständige Existenz- und Alterssicherung alles andere als eine Alternative, wie der Ausschuss immer wieder anmahnt. Die Referentin forderte zudem, im Steuerrecht einen stärkeren Fokus auf den Aspekt der Unterhaltsgemeinschaft zu legen als auf den von Ehe bzw. eingetragener Lebenspartnerschaft. „Das würde dann auch Alleinerziehenden zugutekommen“, so Reina Becker.
Ob eine Abschaffung des Ehegattensplittings zu mehr Geschlechtergerechtigkeit führt bzw. wie dieses sinnvoll reformiert werden könnte, darüber gehen die Meinungen in der öffentlichen Diskussion auseinander. Dass es diese Form der Besteuerung aber nur in Deutschland gibt und diese trotz vielfacher Kritik seit ihrer Einführung unverändert geblieben ist, macht den Handlungsbedarf offenkundig. „Die Zeit ist reif für Veränderungen“, konstatierte Becker. „Und es braucht Frauenverbände wie die kfd, um bei dem Thema weiterzukommen.“