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Herbsttagung: Rollenbilder prägen Erwerbsbiografien von Frauen in Ost & West

Beate Behrendt-Weiß

Lisa Meerman-Lippe, Petra Löwenbrück, Veronika Pütker und Cornelia Stieler (von links) auf der Tagung des Ständigen Ausschusses Frauen und Erwerbsarbeit in Bad Kösen. © kfd/Beate Behrendt-Weiß

Die Rollenbilder, mit denen Frauen in den beiden deutschen Staaten konfrontiert waren, wirken auch gut 30 Jahre nach der Wiedervereinigung noch in der Arbeitswelt nach. Aber vor allem die tiefgreifenden Umwälzungen infolge der Wende haben bis heute spürbare Auswirkungen auf die Erwerbsbiografien von Frauen in den ostdeutschen Bundesländern. Diese Erkenntnisse standen im Mittelpunkt der Tagung des Ständigen Ausschusses Frauen und Erwerbsarbeit, die vom 16. bis 18. September in Bad Kösen im Süden Sachsen-Anhalts stattfand.

Zu der Fragestellung „Erwerbsarbeit von Frauen. Was unterscheidet uns – was eint uns in Deutschland?“ hatten die Sprecherinnen Petra Löwenbrück und Veronika Pütker gemeinsam mit Lisa Meerman-Lippe vom kfd-Bundesverband bewusst diesen Tagungsort in der Nähe von Naumburg an der Saale gewählt, um explizit Frauen aus dem Netzwerk Ost miteinzubinden.

Als Referentin hatte der Ausschuss Cornelia Stieler eingeladen, die seit vielen Jahren als Trainerin, Coach und Wirtschaftsmediatorin tätig ist und mit ihrer eigenen Ost-Biografie stellvertretend für die Erfahrungen vieler Menschen ihrer Generation und Herkunft steht: Deren Leben war nach dem Mauerfall vor allem aus beruflicher Perspektive komplett auf den Kopf gestellt worden. In ihrem Vortrag beleuchtete Stieler den Transformationsprozess in der ehemaligen DDR und seine Auswirkungen auf die Erwerbsbiografien von Frauen. Aber sie nahm auch Bezug auf aktuelle Stimmungslagen.

Ungeachtet der Tatsache, dass die meisten ostdeutschen Bürgerinnen und Bürger mit dem Systemwechsel überwiegend zufrieden seien, teilten viele Betroffene doch die Einschätzung, dass ihre hohe Anpassungsleistung zu wenig Anerkennung finde, so die Referentin. Arbeitslosigkeit, keine oder geringe Aufstiegschancen oder die fehlende Anerkennung von Kompetenzen und Abschlüssen – all das habe zu tiefen Brüchen in den Erwerbsbiografien und dem Verlust von Identität mit schmerzhaften psychosozialen Folgen geführt.

In den Schilderungen der Delegierten wurden die unterschiedlichen gesellschaftlichen Prägungen eindrucksvoll deutlich, die in Bezug auf Berufswahl, Beschäftigungsumfang oder Existenzsicherung bis heute nachwirken: im Osten die vom Staat erwartete volle Berufstätigkeit der Frauen und die damit verbundene Chance wie Pflicht, Kinder in Betreuungseinrichtungen zu geben, keine Festlegung auf typische Frauen- oder Männerdomänen und finanzielle Unabhängigkeit, aber auch die fehlende Freiheit bei der Berufswahl, vor allem wenn man nicht linientreu war – im Westen dagegen das tradierte Rollenbild mit dem Mann als Familienoberhaupt und Alleinverdiener, das Frauen lange vom Arbeitsmarkt ferngehalten, sie auf die Rolle der Hausfrau und Mutter festgelegt und ihnen viele Chancen und finanzielle Eigenständigkeit verwehrt hat. Aus Sicht aller Teilnehmerinnen war die Tagung eine inhaltliche wie persönliche Bereicherung und ein Appell an alle kfd-Frauen, den Dialog zwischen Ost und West zu intensivieren und gemeinsam für mehr Gleichstellung im Erwerbsleben einzutreten.